1. Auftakt

5.Mai 2012

 

Etappe 1: Görlitz - Pfaffendorf

 

Vor gut vier Jahren liefen die letzten Vorbereitungen für ein Projekt epischen Ausmaßes. Man sollte nicht soviel Fernsehen schauen, denn eine Doku über den Appalachian-Trail brachte uns erst auf diese unsinnige Idee. Die USA waren dann aber doch etwas ambitioniert für das Budget zweier Studenten und Europa ist schließlich auch ganz schön. Über 2 Jahre haben wir gebraucht, um uns die Zeit freizuschaufeln. Im Mai 2012 sollte es dann los gehen:
Zwei Menschen, drei Hunde, ein Pony, sechs Monate und x Kilometer -  wunde Füße, Abenteuer, tolle Begegnungen...

 

endlich, endlich aufgeschrieben! :)

 

Hier eine kurze Vorstellung der Hauptdarsteller in diesem Flohzirkus:

- Egon als das coolste Pony der Welt

- Maxl als Hund, der viel Krach macht und für Lacher sorgt

- Jasper, der Maxl kopiert und manchmal ein bisschen als Schaf daher kommt

- Boscaille als Aufpasser und Vorwegläufer

In den Nebenrollen:

- Maxi als Fototante, Sprachgenie, Chefeinkäufer und Ponyantreiber

- und ich, Caro, als Wegefinder, Raubtierdompteur und Chronist (zugegeben ziemich faul in der Nachbearbeitung)

In der Neben-Nebenrolle:

Stefan, Friseur und Chauffeur, Besucher und Background Support

 

 

Die Mission:  Wir wollen ans Meer gehen. Am liebsten an die französische Küste, da wollten wir eh schon immer mal hin... einfach einen Fuß vor den anderen setzen, essen wenn man Hunger hat, trinken, wenn man durstig ist, schlafen wenn man müde ist und feiern, wenn sich die Gelegenheit bietet.... (die bot sich öfter ^^)

Pack und Pony nach Frankreich
alle auf einem Bild hatten wir selten (von l.n.r.) Maxi, Jasper, Egon, Caro, Maxl und Leaderin Boscaille

Jetzt kann man ja schlecht sagen - so ich bin dann mal für fünf Monate weg. Das funktioniert so einfach nicht (leider). Da muss man sich erst einmal was freischaufeln. Ich lag mit meinem Studium in den letzten Zügen und da ich es bisher - oh Wunder - in der Regelstudiezeit gepackt hatte, gönnte ich mir zwei weitere Semester. Maxi, dazumal noch mittendrin, reichte ein Urlaubssemester ein. Ich schrieb in einer Rekordzeit von drei Monaten meine Bachelorarbeit. So eine Tour ist, wie ich feststellen durfte, eine deutlich effektivere Motivation als irgendwelche blöden Fristen. Erstmalig in der Geschichte meines Bildungsweges, gab ich etwas vor der Zeit ab!
Um meine Krabbeltiere für meine Bachelorarbeit auszuzählen, musste ich meinen Wohnort kurzfristig nach Görlitz verlagern, da sowohl die Bodenproben als auch mein Professor im dortigen Naturkundemuseum angesiedelt waren. Daraus entstand dann während der Planungsphase die Idee, unsere Reise in dieser Stadt zu beginnen. Wenn wir schon einmal quer durch Deutschland latschen, können wir auch in der östlichsten Stadt starten.

 

Das war es dann allerdings auch schon fast mit der Planung. Es gab eigentlich nur drei Punkte, die feststanden: 
Start: 5. Mai 2012 in Görlitz
Pony einsammeln an Himmelfahrt in Tannenberg/Erzgebirge
Ziel: das Meer, möglichst in Frankreich
Arbeitsmittel: irgendwelche Karten, die man sich unterwegs besorgt und dann einfach grob in die Richtung laufen wo man hinwill, dabei möglichst auf (Fern-)Wanderwege o.ä. zurück greifen. Man könnte natürlich auch die Straßen benutzen, aber darunter leidet der Spaßfaktor erheblich und man könnte die Sache auch gleich mit dem Auto machen. Das wiederum wäre ziemlich witzlos.

Es geht los! - Tourenvorbereitung

Die Tage vor dem Start wurden von Reisevorbereitungen bestimmt. Alles wurde eingepackt, wieder ausgepackt und wieder eingepackt. äußerst wichtige Vorkehrung zur Gewichtsreduktion mussten getroffen werden. Den Zahnbürstenstiel absägen und sich alle Haare abschneiden lassen beispielsweise. Die verlorenen Gramm wanderten dann in Form sinnvoller Gegenstände, insbesondere in Form von Büchern, wieder zurück ins Gepäck. Der Graus für alle Lightweight-Trekking-Verfechter, aber wenn man 5 Monate zusammenhockt und wandert, ist Abwechslung doch ganz nett.

Wir entschieden uns für den "Herr der Ringe", den wir zwar beide schon in und auswendig kannten, aber Textkenntnis erleichtert dem Ungeübten das Vorlesen ungemein. Außerdem passte die Geschichte thematisch ganz gut zu unserem Vorhaben. Wir waren der Meinung die Trilogie würde die ganze Zeit lang reichen. Ein Irrtum, wie sich noch herausstellen sollte.

 

Um am Ende auch irgendetwas versenken zu können, im Meer natürlich und nicht im Schicksalsberg, steckte sich jeder noch einen persönlichen, lang getragenen Gegenstand ein. Ich hatte ein Holzperlenarmband dabei, dass schon ziemlich marode war und zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Rolle spielen wird.  Ich sag nur #Perlentauchen

Der Start

Der 5. Mai 2012 war ein sehr heißer Tag. Stefan brachte uns nach Görlitz und setzte uns an einem Supermarktparkplatz aus. Problem 1: Ihm fiel der Abschied sichtlich schwerer als mir. Mich rief das Abenteuer aber er musste zurück in den Alltag und die nächsten Monate auf seine Freundin verzichten - schweres Leben :-P

Problem 2: Boscaille war heiß und wir hatten zwei unkastrierte Rüden dabei. Die Hoffnung, dass sie noch vor Aufbruch mit ihren Stehtagen durch wäre, erfüllte sich nicht. Wer selber eine Hündin sein Eigen nennt, kennt das Spiel ja, für alle anderen: die Hitze geht langsam los und dann gibt es da diese 3-4 kritischen Tage an denen man höllisch aufpassen muss, da das Tier am anderen Ende der Leine zu einem rüdenverschlingendem Etwas mutiert und sich schamlos allem an den Hals wirft...  Die Kerle entwickeln zu dieser Zeit Strategien und Kräfte, die man nicht für möglich hält, um das Objekt der Begierde zu erreichen. Tage zwischen Wahnsinn, Verzweiflung und Rüdengequietsche auf sechs Quadratmetern Zelt, aber beim Start waren wir schon an Tag 4 der Standhitze. Es sollte also nicht mehr lang dauern (denkste!).

Auf der Fahrt hatten wir schon festgestellt, dass wir irgendwie nix zu essen eingepackt hatten und nach einen Kurzbesuch bei LIDL, um dieses Manko zu beheben, ging es endlich los!
Nach einem Blick auf die Karte beschlossen wir zumindest noch das Neiße-Ufer aufzusuchen, um auch wirklich ganz im Osten zu starten. Es war verdammt heiß und der ungewohnt schwere Rucksack drückte auf den Schultern. Durch die lange Anfahrt und das Gebummel beim Start hatten wir an dem Tag eh nicht mehr sonderlich viel Zeit zum laufen. Aber ein Stückchen wollten wir dann doch noch schaffen.

 

Entlang der Neiße folgten wir einer blauen Markierung. Die Karte meinte, dass dieser Weg gen Westen führt. Wanderweg, Westen, läuft...
Kurz nach der Landeskrone forderte dann das warme und schwüle Wetter seinen Tribut. Von zwei Seiten zog ein Gewitter auf. Es donnerte bereits und vor uns lag ein etwa ein Kilometer langer Feldweg. Wir dachten uns das wir das schon noch schaffen bevor das Wetter richtig fies wird, doch kurz vorm Ortseingang von Pfaffendorf öffnete der Himmel seine Schleusen. Wir waren erstmal nass und sahen uns nach einer Unterstellmöglichkeit um.

Prompt winkte uns ein älterer Herr in seine Scheune. Dieses Angebot nahmen wir auch direkt an. Er bot uns ein Bier an (was will man mehr) und war offensichtlich froh jemanden zum Plaudern gefunden zu haben. Die Räumlichkeiten entpuppten sich nach näherem hinsehen als kleines DDR-Museum.

Aus allen Ecken blickten Honecker und Ulbricht auf uns herab. Die Decke zierten FDJ-Fahnen und eine Sammlung alter Radios rundeten das Bild ab. Unser Gastgeber war äußerst freigiebing. Wir konnten uns Kartoffeln auf einer Elektroherdplatte kochen und als das Bier alle war, holte er den Eierlikör hervor. Er bot uns auch direkt einen Schlafplatz an. Alles sah nach einem netten Abend aus... doch dann kam SIE. 

SIE, offensichtlich die Frau des Hausherren, stand von einer Sekunde auf die nächste kreischend in der Tür: "Was habt ihr hier zu suchen!? Einen Alkoholiker zum Trinken verführen! Schert euch weg!" Wir: ???? (und fingen schonmal klammheimlich an unsere Sachen zu packen). Die Frau stand da, im Nachthemd, mit Beatmungsgerät in der Nase und wurde jetzt langsam aber nachdrücklich von ihrem Mann nach draußen geschoben. Wir hatten gleich am ersten Abend einen furchtbaren Ehekrach heraufbeschworen - das ging ja großartig los...

Wir beschlossen ganz freiwillig das Feld zu räumen. Der Regen hatte eh nachgelassen und die Vorstellung, dass da plötzlich Madame in Flatternachthemd und Beatmungsmaschine über unserem Schlafplatz auftaucht, war alles andere als berauschend. 

Pack und Pony nach Frankreich
Pfaffendorf: we survived!

Allerdings hatten wir die Rechnung ohne den Gastgeber gemacht. Er entschuldigte sich zigmal und versuchte uns zum Bleiben zu bewegen. Dabei wurde er auch immer vehementer, was uns nun auch wieder komisch vorkam. Durch das Fenster beobachteten wir außerdem, dass seine Frau sich am Gartenzaun mit den Nachbarn unterhielt. Wir sahen uns schon von einem mit Heugabel und Fackeln bewehrtem Mob aus Pfaffendorf gejagt werden...
Doch irgendwie schafften wir es dann auch ihn (er wollte uns schon in irgendeinem Nebengebäude verstecken) davon zu überzeugen, dass es besser wäre, wenn wir wieder aufbrechen. Das Gewitter war vorbei und der Abend dämmerte herauf, als wir Pfaffendorf hinter uns ließen. Der erste Tag und schon ein Abenteuer! An einem Waldrand schlugen wir dann das erste Mal das Zelt auf, dass wir die nächsten fünf Monate unser Zuhause nennen würden... 

 

Bald gehts weiter :-) versprochen!

 

Caro

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Kommentare: 7
  • #1

    Maxi (Freitag, 05 Mai 2017 17:37)

    JEEEAAAHHHH! Es ist so klasse, dass es endlich losgeht! Erste Teil ist prima gelungen.....
    Die Spannung unerträglich (irgendwie komisch, ich war doch dabei... jaja das Alter)

    WEITER!

  • #2

    Jutta Skroch (Freitag, 05 Mai 2017 17:50)

    Also, ich finde es klasse, nach soo langer Zeit wieder etwas von euch zu sehen.
    Ihr habt ja u. A. auch in Gießen am Kirchenplatz Station gemacht.
    Den würdet ihr heute allerdings fast nicht mehr wieder erkennen,
    und erst recht nicht mehr darauf niederlassen. Der Platz ist komplett zubetoniert,
    da gibt es keinen Grashalm mehr. Ich freue mich auf eure Fortsetzung. Ich hatte euren Weg auch damals weiter mitverfolgt.
    LG Jutta

  • #3

    Manty (Freitag, 05 Mai 2017 18:08)

    Klasse geschrieben weiter so�lg Manty

  • #4

    Alex Beaunstingl (Freitag, 05 Mai 2017 18:18)

    So genial Caro�����
    Wir sind gerade auf dem Weg zum Racedogs Trainingslager und ich habe der Familie im Auto Tag 1 zur allgemeinen Erbauung laut vorgelesen �. Wir sind schon sehr gespannt wie es weiter geht und harren der Dinge.
    Greets Alex

  • #5

    Maria Müller (Freitag, 05 Mai 2017 19:00)

    Yeaahhh Abenteuer!!!!

    total klasse geschrieben....irgendwann, wenn ich mal ein halbes Jahr Zeit habe, dann ja dann mache ich auch so was, eine der Nase nach zu Fuß ans ende der Welt, oder zumindest ans Ende von Europa, oder oder oder....
    ich hoffe nur das Irgendwann ziemlich bald ist....


    ich freue mich schon auf die Fortsetzung....das ist so spannend, wie geht es nur weiter...

  • #6

    Caro (Dienstag, 09 Mai 2017 17:30)

    Danke euch allen, das motiviert ungemein weiterzuschreiben
    :-)

  • #7

    Petra (Donnerstag, 08 Juni 2017 08:49)

    Hallo Caro & Maxi, das beginnt aber wirklich sehr spannend und macht total Spass zu lesen. Ich bleib dran. Wir haben letztes Jahr "nur" vier Wochen von München nach Venedig mit unserem Vierbeiner Monet gemacht und dort schon so viel erlebt, dass es ein ganzes Buch gefüllt hat. "Ein Hund, sein Rudel und drei Rucksäcke". Ich bin mal gespannt, wieviele Teile es von Euren 5 Monaten geben wird. Und sind es nicht auch vor allem die menschlichen Begegnungen, die ein solches Abenteuer richtig spannend machen? Wie man an Eurem ersten skurrilen Erlebnis deutlich sieht..da folgen sicherlich noch einige! Toll geschrieben...macht Lust auf mehr. Herzliche Grüsse aus der Schweiz.